Wundersamer Adventskalender

Teil 1

Es war einmal ein sehr altes, ehrwürdiges Theater mit prächtigen Kronleuchtern und üppig ausgeschmückten Ehrenplätzen aus dunkelblauen Samtsesseln, von denen einstmals schon Edelleute dem Zauber auf der Bühne zusahen. Unzählige Male schon hatte sich der kostbare, schwere Samtvorhang wieder und wieder geöffnet, um eine fantastische Welt aus Tanz, Musik und Schauspiel zu enthüllen. Das Echo begeisterten Applauses und Hochrufen hallte noch immer leise in den Ecken der pompös vergoldeten und kunstvoll verzierten Holzschnitzereien der Wandvertäfelung.

Doch unser Märchen spielt nicht in der Zeit, als die Herrschaften in vierspännigen Pferdekutschen vorfuhren und die Damen in edlen Schleppenkleidern in Begleitung vornehmer Herren die breiten Stufen zum Theater emporschritten.

Diese Geschichte spielt in 2020, einem auf seine ganz eigene Art sehr verrückten Jahr – und zwar für die gesamte Welt! Ein gemeines Virus breitete sich in Windeseile über die Erdkugel aus, machte viele sehr krank und brachte alles durcheinander – auch die vielen Theater wurden alle geschlossen. 

Und so träumte das alte, ehrwürdige Theater leise vor sich hin – nur der alte Hausl, der schon viele, viele Jahre im Theater arbeitete und sich gerne an so manche glanzvolle Vorstellung erinnerte, schlurfte leise durch die leeren Gänge, um regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Denn auch ein leeres Theater braucht ja Fürsorge – muss gelüftet und gereinigt werden und ab und zu fand sich sogar eine aberwitzige Maus in einer der Lebendfallen, die dann nach einem kleinen Spaziergang fernab vom Theater in die Natur entlassen wurde.

Der Dezember kam und allmählich neigte sich das Jahr dem Ende zu. Die besondere Zeit vor Weihnachten begann, die Zeit der Wunder, wenn man nicht nur die Augen, sondern auch das Herz weit genug aufbekommt und im richtigen Augenblick hinsieht.

Der alte Hausl kannte sein Theater gut und wusste um diese spezielle Zeit. So ein Theater hat spannende Ecken und Räume, die sich ein Zuschauer gar nicht vorstellen kann. Über der Bühne, unter der Bühne, überall sind wundervolle Dinge verstaut und träumen von ihrem nächsten Auftritt im Rampenlicht. Der Hausl kannte sie alle – und ihre geheimen Bewohner. So gab es im Kostümfundus ein paar Feen, die ausgiebig und gerne mit den lose herumliegenden Pailletten und glitzerndem Flitter spielten und immer wieder fröhlich auf der Bühne tanzten. Andächtig hatte er sie schon oft beobachtet und seine helle Freude an der Grazie der kleinen Glitzerwesen gehabt.

Er kannte auch zahlreiche Geschichten der herrlichen Kostüme, die oft schon mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel hatten – sorgfältig wurden sie von der Gewandmeisterei gehegt und gepflegt, um immer wieder glänzen zu können. Denn in der Vorweihnachtszeit begannen die wunderschönen Kostüme, ihre vielfältigen Erlebnisse zu erzählen. So manche lustige Schilderung gab es da von Missgeschicken bei Generalproben, verpatzten Einsätzen, hastig geflickten Stoffrissen und noch kurz vor der Premiere fertiggestellten Gewändern. Aber auch triumphale Premieren, schillernde Soireen und traumhafte Szenen in Balletten, Schauspielen und Opern, die sich auf immer im Gedächtnis eingeprägt hatten und für reichlich Stolz sorgten, wurden da verkündet. Viele Stunden saß der Hausl im Fundus und lauschte staunend den Kostümen und träumte davon, wenn „sein“ Theater endlich wieder glänzen durfte.

Dabei hatte jedes Kostüm seine eigene Art zu erzählen. Während die Solistenkostüme der Opernsparte wichtigtuerisch von komplizierten Arien dozierten und alle respektvoll lauschten, schnatterten die Ballettkostüme meist aufgeregt durcheinander – vor allem die Gewänder des Corps de Ballet, die ja immer in zigfacher Ausführung nebeneinander hingen und von denen jedes seinen ganz wichtigen Teil zur Geschichte beitragen wollte. Da gab es romantische Stelldicheins in den Kulissen, temperamentvolle Auseinandersetzungen der Erst- und Zweitbesetzung und so manches andere kleine oder große Liebesdrama. Und ein jedes Tutu hatte immer etwas beizusteuern, das den jungen Dingern ganz besonders wichtig war. Kopfschüttelnd rief dann manchmal der prachtvolle Königsumhang aus der Staatsoper zur Ordnung – diese Ballettkostüme waren doch manchmal etwas zu überdreht! Da waren die Gruppenkostüme aus dem Chor doch deutlich weniger aufgeregt, ein jedes wartete wie beim Gesang seinen Einsatz ab. Schließlich waren viele von ihnen ja sehr erfahren und einige Jahre im Theater tätig.

Geduldig lauschte der alte Hausl ihren mannigfaltigen Erzählungen und fühlte sich rasch nicht mehr so alleine. Es war nämlich so – obwohl der Hausl zwei Kinder und sogar schon vier Enkelkinder hatte, konnte er sie zum Weihnachtsfest nicht besuchen. Das machte ihn natürlich traurig und er war froh, dass er in seinem altehrwürdigen Theater so viele Freunde und Begleiter hatte, die ihn übers Alleinsein hinwegtrösteten. Nur zu schade, dass er der Einzige war, der von ihnen wusste!

Eines Abends kam dem Hausl eine ganz wunderbare Idee – er würde seinen Enkelkindern jeden Tag eine der Geschichten aufschreiben, die er im Fundus von seinen geheimen Freunden erzählt bekommen hatte.

So würden die Kinder jeden Tag eine wundersame Begebenheit aus der Welt des Theaters, der Musik und des Tanzes miterleben können. Und irgendwann, da war sich der Alte sicher, würden die Enkelkinder die leeren Gänge mit ihrem fröhlichen Lachen erfüllen, während er den Kleinen seine ganz besondere, bunte und vielfältige Theaterwelt zeigen würde. Denn wenn die wärmende Frühjahressonne ihre goldenen Strahlen in die großen Saalfenster streckte, würden sie sich ja auch wiedersehen und schöne gemeinsame Zeit miteinander verbringen können. Voller Vorfreude auf die Zeit des noch fernen Frühlings lächelte der Hausl vor sich hin und ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. Bald würde wieder ein normales Leben zurückkehren, da war er sich sicher.

Und so begann er, seine kleine Hausmeisterwohnung im Komplex des Theaters weihnachtlich zu dekorieren, duftende Tannenzweige kamen auf den Fenstersims und glitzernde Sterne an den Fensterrahmen. Als der Adventskranz mit dicken, grünen Kerzen auf dem Tisch stand, nahm sich der Hausl seinen liebsten Füller und schönes, dickes Papier. Tief durchatmend schloss er für einen Moment die Augen und streifte im Geist durch die Gänge des alten Theaters bis zur wohlgefüllten Gewandmeisterei. Erwartungsvoll wurde er von den sorgfältig aufgereihten Kostümen angesehen- wer hätte wohl die Ehre, den Reigen zu eröffnen?

Selbstverständlich durfte ein Solistengewand der Staatsoper die erste Geschichte erzählen – und natürlich bestimmte der prächtig mit Hermelin verzierte Königsmantel , wer den Vortritt bekam. Er erkor die Bauersfrau zur ersten Erzählerin. Als sie anmutig vortrat und mit wohlklingender Stimme begann zu erzählen (denn etwas Gesangstechnik lernt man natürlich, wenn man von den besten Sängerinnen getragen wird!) wurde es ganz leise, sogar die Ballettkleidchen waren still und lauschten andächtig der Erzählung …


Teil 2

… „Es ist viele Jahre her, dass ich in der Gewandmeisterei der Staatsoper angefertigt wurde. Oma Roswitha, die heute die Garderobe verwaltet, war noch eine ganz junge Frau, die eben ihre Ausbildung zur Schneidermeisterin beendet hatte und im Theater zur Leiterin der Gewandmeisterei angestellt wurde.“ Erstauntes Raunen in den Kostümreihen, denn keiner hatte je gewagt, im von Hand eingenähten Etikett des Kostüms nachzusehen, in welchem Jahr es kreiert worden war. Dazu hatten alle viel zu viel Respekt vor den Opernkostümen. Denn im Rückenteil der Kostüme wurde stets ein Etikett eingenäht, auf dem verzeichnet war, in welchem Jahr und für welche Rolle das Kostüm entstanden war. Ganz oben prangte– wie ein Adelstitel – in verschnörkelten roten Buchstaben „Bayerische Staatsoper“. Nicht ohne Stolz trugen die ehemaligen Opernkostüme diese Auszeichnung. Und mit Recht – denn die Gewandmeister hatten wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Welches Detail in einem prachtvollen Gewand steckte und welcher Aufwand in der Herstellung bestand, war oft unglaublich. Doch die Wirkung auf der Bühne bekräftigte die mühevolle, oft mit der Hand genähte Arbeit. Und so lauschte der gesamte Fundus ganz andächtig, während das Kostüm der Bäuerin anmutig weitererzählte

„Am Abend der Premiere von „CAVALLERIA RUSTICANA“ warteten alle ganz aufgeregt auf die Star-Sopranistin, die damals die Rolle der Santuzza singen sollte. Denn obwohl sich bereits in zwei Stunden der Vorhang zur ersten Szene öffnen sollte, war sie noch immer nicht im Theater erschienen. Damals gab es noch keine Handys, die mal eben eine rasche Rückmeldung ermöglichten. Keiner wusste etwas, die Aufregung stieg ins Unermessliche. Was war nur geschehen? War das Flugzeug verspätet? Wo steckte die berühmte Operndiva nur?

Doch die Rädchen im Theater laufen sauber ineinander und für alle Lagen ist ein Ausweg eingeplant. Die Zweitbesetzung bereitete sich vor und probte nochmals die wichtigsten Szenen ihres Parts. Nur noch eine Stunde bis zum Vorhang – jetzt konnte man nicht mehr länger warten. Im Handumdrehen wurde aus einer sehr jungen, vor Lampenfieber etwas blassen Sängerin in Alltagskleidung eine wunderschöne  Bauersfrau – mit dem Anlegen des Unterkleides, des Überkleides, mit dem Schließen jedes Häkchens und jedes Druckknopfes wandelte sich der Mensch in ein Wesen der Fantasie, das das Publikum in eine andere Welt zu verzaubern vermochte.

Die in zahlreichen Stunden geknüpfte Langhaarperücke, die die Originalbesetzung trug, wurde hier gar nicht benötigt. Denn die junge Sängerin besaß selber prachtvolle lange Locken, die sich weit hinunter über ihren Rücken ringelten. Routiniert hatte die Maskenbildnerin die Bühnenschminke aufgetragen und steckte noch einige Stoffblumen in die sorgsam frisierten Haare. Ihre ruhige Art schaffte es, das Lampenfieber zu zügeln. Noch ein wenig Zeit blieb für ein paar Gesangsübungen, dann erklang schon der dritte Gong und die Lichter im Publikum verloschen – die Oper begann!

Für die junge Sopranistin war es der erste große Hauptpart, den sie singen durfte. Mein schwerer Stoff umspielte jeden ihrer anmutigen Schritte und die Welt draußen verschwand in einem Nebel, während ihre glockenhelle und strahlende Stimme das Publikum und ihre Mitspieler gleichermaßen verzauberte. Ich war unglaublich stolz, bei der Entdeckungsstunde dieses wunderbaren Talents teilhaben zu dürfen“. Leicht gerührt machte das Kostüm eine kleine Pause. „Doch der Triumph auf der Bühne war nur der Anfang für das, was an diesem Abend noch geschehen sollte.  Viele Vorhänge bekam die Sängerin und wurde von Hoch- und Bravorufen des Publikums bejubelt. Zahlreiche Glückwünsche der begeisterten Kollegen folgten und ganz trunken vor Freude stand der neue Opernstar einen Moment ganz alleine auf der Bühne, um wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden. Für einen kleinen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch. Sie war so glücklich! Ein leises Räuspern ließ sie die Augen wieder öffnen. Der junge Beleuchter, den sie vom Sehen aus der Opernkantine kannte, war vor sie getreten und sah sie mit leuchtenden Augen an. Bevor die Sopranistin begriff, wie ihr geschah, kniete er vor ihr nieder und bat um ihre Hand. Ihr wunderbarer Gesang hatte sein Herz im Sturm erobert. Und sie sagte Ja! Die beiden heirateten gleich am Ende der Spielzeit – das wunderschöne Hochzeitskleid, ein Geschenk der Gewandmeisterei, hing eine ganze Weile noch im Fundus. Es war so romantisch!“ Im Chor seufzten die Kostüme des Corps de Ballet – das war eine Geschichte nach ihrem Geschmack! „Übrigens war der Flug von Rom ausgefallen, mit dem die eigentlich eingeplante Opernsängerin hätte kommen sollen. Aber zur Hochzeit war sie dann pünktlich – sie war eine der Trauzeugen des jungen Paares. Und so fand eine eigentlich tragische Oper zu einem romantisch-glücklichen Ende!“

Begeistert spendeten die Kostüme Beifall für diese wunderbare Geschichte. Auch der alte Hausl hatte atemlos der Erzählung gelauscht und war schon gespannt, wer als nächstes berichten würde. Anmutig begab sich das Kostüm der Bäuerin zurück an seinen angestammten Platz und blickte aufmerksam umher. Ein leises Rascheln aus der Reihe der Theaterkostüme war zu vernehmen und ein sehr prunkvolles Kleid trat nach vorne…


Teil 3

Der pfirsichfarbene, mit fantasievollen Ornamenten gewebte Brokatüberrock und das prachtvoll mit Goldtressen und feinsten goldenen Spitzenborten verzierte Corsage-Oberteil verrieten die edle Königin, die dieses Kostüm bereits in zahlreichen Theaterstücken verkörpert hatte. Würdevoll schritt das prachtvolle Gewand nach vorne, begleitet von dem ein oder anderen schmachtenden Seufzer aus den Reihen der einfachen Kostüme. Wie erstaunt waren sie aber erst, als sie die Erzählung der Theaterkönigin hörten:

„Ich war nicht immer so prachtvoll wie heute, wisst Ihr. Denn ich habe als ganz schlichtes Nachtgewand mit meiner Theaterkarriere begonnen. Damals wurde ich für ein ganz junges Ding geschneidert, dass nur mit einer Kerze auf der ansonsten völlig verdunkelten Bühne eine einfache Magd spielte. Dank der Kostümbildnerin wurde dieses Nachtgewand aber so sorgfältig und schön gearbeitet, dass man beschloss, mich zu einem festlichen Gewand umzuarbeiten. Denn mein Unterkleid ist ganz einfaches, naturfarbenes Leinen!“ Ein Raunen ging durch die Reihen der neueren Kostüme – da hatte sie noch nicht gewusst!  Auch sie könnten also einmal solch ein prachtvolles Kostüm werden, dass von allen bestaunt würde. Das waren herrliche Aussichten! „Übrigens spielte dasselbe Mädchen, das in der Rolle einer Dienstmagd begonnen hatte, einige Zeit darauf die Königin und ich durfte ihr dabei wieder zur Seite stehen. Schließlich habe ich dazu noch grandios gepasst! Wir waren auch sehr oft auf der Bühne, denn meine Schauspielerin hatte in ihrer Rolle sehr viel Text, den sie erst auswendig lernen und dann spielen durfte. Sie hatte das so wundervoll gemacht, die Souffleuse musste nicht ein einziges Mal helfen!“ In der Stimme des Kostüms schwang Stolz mit.

Inzwischen hatten die Kostüme Gesellschaft bekommen. Der Requisitenmeister, ein fröhlicher Mann mit einem prachtvollen schwarzen Schnauzbart und dichten schwarzen Augenbrauen wusste, wie sehr sich seine Schützlinge in der aufführungsfreien Zeit langweilen würden und hatte die Türe zur Requisite, den Räumlichkeiten, in denen Theater all die wunderschönen Dinge aufbewahren, die ein Bühnenbild erst so richtig lebendig machen, offengelassen. Er wusste ja, dass der Hausl gut auf seine Requisiten achten würde.  Und so scharten sich wunderschön geschnitzte Kerzenständer, Holzkrüge, Blumen, Möbelstücke, aber auch zahlreiche Tiere zu den Kostümen. Das war ein festliches Bild – inmitten der Weihnachtsdekoration und umrahmt von immer mehr Tieren stand das Kostüm und erzählte. Eine Gruppe Pferde mit prachtvollem Zaumzeug hatte sich dazugesellt, ebenso zwei Schäfchen und ein kleines schwarzrosa Ferkelchen, die zusammen mit dem Gewand der Bauersfrau gekommen waren. Versonnen sah der Hausl auf die bunt gemischte Gesellschaft und fühlte sich gleich nicht mehr so alleine. Eine Häsin mit zwei Kleinen saß ebenso unter dem Christbaum, den er zwischenzeitlich aufgebaut hatte wie ein Igelpärchen. Inmitten all dieser Pracht hatte sich ein blauer Papagei aus seinem goldenen Käfig befreit und auf der Christbaumspitze Platz genommen. Wie herrlich das alles aussah! Eine Lichterkrone schwebte wie von Zauberhand herein – es war inzwischen der dritte Advent und das Lichterfest der Santa Lucia herangekommen. Die Theaterkönigin trat respektvoll zur Seite und die Lichterkrone erzählte die Legende der Lucia, die mit ihrem Lichterkranz die Dunkelheit vertrieben und den Armen zu Essen geschenkt hatte. Andächtige Stille hatte sich auf die bunte Gesellschaft gelegt und ein goldenes Licht erhellte die festliche Szenerie im ehrwürdigen und sehr glücklichen Theater. …


Teil 4

Die längste Nacht des Jahres war herangekommen – Wintersonnenwende. Von nun an würden die Tage wieder länger und der Heilige Abend stand endlich vor der Türe. In den Häusern der Menschen war alles festlich geschmückt, sobald sich die Nacht über die Städte und Dörfer senkte, leuchteten golden zahlreiche Lichterketten an wartenden Christbäumen und in den schlafenden Gärten.

Die Straßen waren sehr still in dieser seltsamen Zeit – viel zu viele Menschen waren krank geworden, die Krankenhäuser überfüllt und deshalb sollten alle Leute möglichst daheimbleiben. Selbst die ersehnten Weihnachtsferien hatten früher begonnen, um auch die Kinder zu schützen. Die meisten Geschäfte hatten früher als üblich geschlossen, wo sonst vorweihnachtlicher Trubel herrschte, lagen die festlich geschmückten Ortschaften verwaist da. Ab und zu huschte ein vereinzelter Schatten auf dem Weg zur Arbeit oder um das Notwendigste zu besorgen geduckt durch die Gassen. Kein Flugzeug am Himmel, das Reiselustige in die Weihnachtsferien flog, keine langen Staus auf den Autobahnen auf dem Weg in die verschneiten Skigebiete, wo die unberührt daliegenden Schneehänge auf einmal wieder Hase, Gams und Steinbock alleine gehörten.

Die großen Familientreffen, an denen feierliche Festessen serviert wurden und lachende Menschen bis in die Nacht hinein beieinandersaßen und erzählten, konnten nicht stattfinden – aus Vorsicht durften selbst Familien nicht im gewohnten Umfang zusammenkommen und mussten Abstand wahren. Viele Stühle würden leer bleiben an diesem Fest, das sonst die Menschen zusammenführte.

Doch da lag etwas anderes in der Luft, dass man in all dem lauten Tohuwabohu lange Zeit nicht mehr vernommen hatte. Eine leise und doch kraftvolle Stimme, die in den stillen Nächten zu denen sprach, die in die Stille lauschten, während sie in den Sternenhimmel sahen.

 Es war die Stimme der Hoffnung.

Sie gab den Menschen Mut, nach vorne zu sehen. Sie gab ihnen Kraft, weiterzugehen, auch wenn vielleicht ein schwerer Weg vor ihnen lag. Sie gab denjenigen ein Licht in die Hand, die sich alleine fühlten, damit es ihnen das Herz erwärmen konnte. Sie erzählte tröstend vom Frühling, der in einigen Monaten ins Land ziehen würde, von großen Möglichkeiten im neuen, bald beginnenden Jahr, das die Menschheit so sehnlich erwartete. Und sie schenkte denjenigen, die einen Liebsten verloren hatten, wundervolle und aufrichtende Erinnerungen an gemeinsame Zeiten.

Diese Stimme war es auch, die dem Hausl in seinem Theater zuflüsterte, das alles gut werden würde.

Er saß inmitten seiner Kostüme und all der Requisiten, mit so vielen Geschichten, von denen eine wunderbarer und fantastischer war als die nächste. Sein Herz war voller Dankbarkeit und freudiger Erwartung auf die Zeit, die kommen würde.  Bald würde er seine Familie nicht mehr nur über den Monitor seines Computers sehen, sondern sie wieder richtig und ohne Sorgen umarmen können.

Bis dahin wollte er weiter den wunderbaren Geschichten in seinem altehrwürdigen Theater lauschen und beschloss, ein richtiges, dickes Buch darüber zu schreiben, damit auch andere Menschen diese wunderbare Welt der Fantasie kennenlernen konnten.

Und wer weiß – vielleicht würde eines Tages sogar ein Theaterstück, eine Oper oder ein Ballett aus seinem Buch entstehen und auf der Bühne zum Leben erwachen? Inspiriert nahm er seinen Lieblingsstift wieder in die Hand und begann, weitere Geschichten zu schreiben. Die Nächte waren ja lang und der besondere Zauber der Weihnacht lag in der Luft – und es waren so viele Kostüme, die alle noch ihre herrlichen, märchenhaften, spannenden und lustigen Geschichten erzählen wollten! …..

Lächelnd betrachtete die Hoffnung die Szenerie – und leuchtete hell in die Herzen der Menschen.

Es war Weihnachten geworden.